Eine der berühmtesten japanischen Erzählungen ist das Heike Monogatari, eine Sammlung von Balladen über Schlachten und Heldentum, Niederlagen und Traurigkeit. Grundlage dieser Erzählung waren die Gempei-Kriege, die in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts das japanische Kaiserreich erschütterten. Es war eine Zeit, in der sich die Samurai als eigene Klasse etablierten und einen immer größeren Einfluss auf die Geschicke des Landes und die Entscheidungen des Kaiserhofes nahmen.

Während des 10. und 11. Jahrhunderts schufen verschieden Unruhen im Lande die Gelegenheit für den Aufstieg einer Reihe fähiger Militärkomman- deure, die im Mittelpunkt größerer lokaler Familien standen. Obwohl alles Land nominell dem Kaiser gehörte, konnten sie auf Grund ihrer militärischen Stärke eigene Provinzen regieren. Aus den sich herausbildenden Kriegerclans ragten zwei besonders hervor: die Taira und die Minamoto. (Die Schriftzeichen dieser Familien kann man auch als Heike und Genji lesen.) Beide Clans rühmten sich einer kaiserlichen Abstammung, was für das Selbstwertgefühl japanischer Krieger schon immer sehr wichtig war. Sowohl die Minamoto als auch die Taira hatten Vorfahren, deren kriegerische Leistungen Vorbild- charakter hatten, an denen sich die Samurai messen konnten, und beide waren äußerst ehrgeizig. Jeder Clan besaß umfangreiche Reisanbaugebiete und bildete für seine Gefolgsleute, die als Bauern und Samurai dienten und gelegentlich in die Familie einheirateten, so etwas wie den Lebensmittelpunkt. Während die Taira ihre Stammlande im Westen Japans hatten, lag der Machtbereich der Minamoto im weniger zivilisierten Osten, wo zu dieser Zeit noch gegen die eigentlichen Ureinwohner gekämpft wurde. Die gebildeten Bewohner des Westens äußerten sich über diese „östlichen Krieger“ recht geringschätzig, was in der Frühzeit der Familienstreitigkeiten wohl auch seine Ursachen hatte. Im Gegensatz dazu wurden die Taira-Krieger oft als begabte Dichter und Höflinge mit guten Manieren bezeichnet. Bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts waren beide Familien durch verschiedene Eroberungen so mächtig geworden, dass sie sich in die Machtkämpfe, die am kaiserlichen Hof mit wachsender Häufigkeit stattfanden, einschalten konnten. Kyoto, damals Residenzstadt des Tenno, befand sich in einem Zustand des Aufruhrs. Die kaiserliche Familie der Fujiwara, die Anhänger des Ex-Kaisers, die nach dessen Abdanken immer noch einen beträchtlichen Einfluss hatten, und die großen buddhistischen Klöster Enryakuji und Kofukuji mit ihren Armeen von Mönchskriegern lagen miteinander im Streit. Die Interessengruppen am Hofe, die ihre lokalen Regierungsgeschäfte und die Rekrutierung ihrer privaten Militärgarden immer mehr ihren Untergebenen in der Provinz überließen, verloren allmählich die Kontrolle über die Ereignisse. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis irgendein Befehlshaber der bewaffneten Garden sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen und dem Hof Paroli bieten würde. Es war Taira-no-Kiyomori, der diese Situation zuerst ausnutzte.

Taira-no-Kiyomori wurde 1118 geboren und übernahm im Jahre 1153 den Vorsitz seines Clans. Er hatte in verschiedenen Provinzämtern Hervor- ragendes geleistet und einen hohen Hofrang erreicht. 1156 führte ein Konflikt zwischen dem abgedankten Kaiser Sutoku und dem regierenden Kaiser Go-Shirakawa erstmals dazu, dass eine Partei bei Hofe offen militärisch vorging. In den folgenden Kämpfen errang Kiyomori, der Go-Shirakawa unterstützte, einen entscheidenden Sieg. Auf Seiten der Verlierer stand Minamoto-no-Tameyoshi. Seine Hinrichtung schwächte die Position der Minamoto bei Hofe sehr. Im Jahre 1160 beteiligte sich Minamoto-no-Yoshitomo, ihr einziger verbliebener Führer von Bedeutung, an einer Verschwörung, um Kiyomori auszuschalten. Dieser blieb aber wiederum Sieger, und nach dem Tod seines Hauptrivalen und fast dessen gesamter Familie gab es für ihn keine militärischen Gegner mehr am Hof. Als er in Folge zum kaiserlichen Rat erhoben wurde, machte Kiyomori sich daran, Kyoto zu beherrschen. Er machte seine nahen Verwandten zu hohen Hofbeamten, ließ sich zum Großkanzler ernennen und seine Kinder in die kaiserliche Familie einheiraten. 1180 schließlich konnte er Go-Shirakawa zum Abdanken bewegen und seinen miderjährigen Enkel als Kaiser Antoku auf den Thron setzen.

Doch die Herrschaft der Taira über den Hof war nicht von langer Dauer. Die raue Diktatur des nunmehrigen Großkanzlers erregte den heftigen Widerstand des Hofes und der Priesterschaft. Ex-Kaiser Go-Shirakawa - ehemals ein Gönner Kiyomoris - wurde ein Hauptträger der Opposition. Schließlich kam es zu einer Verschwörung gegen die Taira, in die einige noch übrig gebliebene Minamoto, die Priester des Kofukuji und anderer Klöster und Go-Shirakawas Sohn, Prinz Mochihito, verwickelt waren. Als das Komplott aufgedeckt wurde, zog sich dessen Führer Minamoto-no-Yorimasa zusammen mit den Krieger- mönchen nach Süden zurück, um in Nara seine Streitkräfte zu verstärken. Die Streitkräfte der Taira waren ihm aber dicht auf den Fersen. Am Fluss Uji wurden Yorimasas Kämpfer schließlich eingeholt. Da seine Truppen zahlen- mäßig weit unterlegen waren, beschloss er, sich hinter einer Brücke zu verschanzen und auf Verstärkung aus Nara zu warten. Im 12. Jahrhundert gab es in Japan recht wenige Brücken, so dass Yorimasa den Plankenbelag der Uji-Brücke entfernen ließ, um einen zusätzlichen Schutz zu haben. Nach überaus heftigen Kämpfen und vielen Einzelgefechten, die von den Kriegern zum Teil balancierend auf den Balken der zerstörten Brücke ausgetragen wurden, gelang es den Taira-Samurai, den Fluss zu überqueren. Yorimasa musste erkennen, dass er vollständig umzingelt war und beging Seppuku. Kiyomori hatte wieder einmal gewonnen. 1181 aber starb der Großkanzler, und die Taira hatten keinen Nachfolger, der den politischen und militärischen Fähigkeiten Kiyomoris nahe kam.

Ein Kriegermönch (Sohei) des Enryakuji-Klosters des Berges Hiei (bei Kyoto). Die Sohei spielten über Jahr- hunderte hinweg eine tragende Rolle in den politischen und militärischen Auseinander- setzungen Japans. Sie stellten große Heere auf und kämpften sowohl auf Seiten der Minamoto wie auch der Taira (je nachdem welchem Kloster sie angehörten). Erst Oda Nobunaga brach ihre Macht endgültig.
Ein Kriegermönch (Sohei) des Enryakuji-Klosters
des Berges Hiei (bei Kyoto). Die Sohei spielten
über Jahr- hunderte hinweg eine tragende
Rolle in den politischen und militärischen
Auseinander- setzungen Japans. Sie stellten
große Heere auf und kämpften sowohl auf
Seiten der Minamoto wie auch der Taira (je
nachdem welchem Kloster sie angehörten).
Erst Oda Nobunaga brach ihre Macht
endgültig.

Nach Yorimasas Tod war der Vorsitz des Clans auf Minamoto-no-Yoritomo übergegangen. Dessen Cousin Yoshinaka stellte nach dem Ableben des Großkanzlers Kiyomori eine Armee von Gebirgskriegern auf und eroberte Kyoto. Die Taira flüchteten unter Mitnahme des Kind-Kaisers Antoku in ihre Stützpunkte an der japanischen Inlandsee. Als Yoshinaka allerdings begann, seine eigenen Pläne zu verfolgen, schickte Yoritomo seine Brüder Noriyori und Yoshitsune aus, um den abtrünnigen Verwandten zu vernichten. An derselben Brücke, an der schon Minamoto-no-Yorimasa sein Leben verlor, kam es zur Schlacht, in dessen Folge Yoshinaka getötet und seine Armee aufgerieben wurde. Nachdem nun keine abtrünnigen Verwandten mehr im Wege standen, konnte sich Yoritomo auf die Niederwerfung der Taira konzentrieren. Deren Anhängerschaft war nach wie vor sehr zahlreich. Die bloße Tatsache, im Namen des Kaisers zu handeln (auch wenn er im Grunde genommen eine Geisel war), hatte eine überaus große Bedeutung. Die andere Stärke der Taira war ihre Seemacht. Sie besaßen eine eigene Flotte und eine ganze Reihe von Stützpunkten an der Inlandsee. Die erste große Schlacht fand 1184 am Strand von Ichi-no-tani in der Nähe der heutigen Stadt Kobe statt. Die Taira hatten dort an zwei Seiten starke Befestigungsanlagen errichtet. Die dritte Seite war zum Meer hin offen, wo die Schiffe der Taira lagen. Die Rückseite wurde durch ein unbegehbares Steilufer geschützt. Der Angriff von Yoshitsune zeigt, wie einfallsreich und wagemutig er war. Während er die Befestigungsanlagen von beiden Seiten aus attackieren ließ, führte er selbst einen Zug von einhundert Samurai auf einem Wildpfad über die Klippen und griff die Taira im Rücken an. In der daraufhin einsetzenden Panik wurden die Verteidiger überrannt. Deren Hauptstreitmacht konnte aber über das Meer entkommen und den Kind-Kaiser Antoku mitnehmen.

 
 Krieger aus Yoshitsunes Armee bei der Überquerung des Flusses Uji
Krieger aus Yoshitsunes Armee bei der
Überquerung des Flusses Uji

Einige Monate später griff Yoshitsune die Taira in den flachen Gewässern die die Insel Yashima von Shikoku trennen an. Doch auch diese Schlacht brachte keine Entscheidung. Wie schon in Ichi-no-tani entkamen die Taira mit dem Kind-Kaiser über die See. Es zeigte sich aber, dass die Minamoto eisern gewillt waren, ihre Feinde zu verfolgen, wohin auch immer sie zogen. Die endgültige Entscheidung fiel im April 1185. In der Straße von Shimonoseki, der schmalen Meerenge, die Honshu von Kyushu trennt, trafen die beiden Armeen in einer Seeschlacht bei Dan-no-ura aufeinander. Die Kämpfe waren lang und erbittert und endeten mit der völligen Vernichtung der Taira. Angesichts der Niederlage kam es zu einem der größten Massenselbstmorde in der Geschichte der Samurai. Die überlebenden Taira sprangen mitsamt dem Kind-Kaiser in die Fluten und ertranken. Der Untergang des Taira-Clans bei Dan-no-ura war so fürchterlich, dass daraus zahlreiche Legenden entstanden. So soll man bei ruhiger See noch heute die Seelen der Taira am Grunde des Meeres wandeln sehen, und die Zeichnungen auf dem Rücken der dort lebenden Krabben stellen angeblich die Gesichter der gefallenen Krieger dar. Dieser Kampf wird noch immer als eine der entscheidendsten Schlachten in der japanischen Geschichte angesehen.

 
 Holzbildnis von Minamoto no Yoritomo (1147 - 1199), dem ersten Shogun Japans
Holzbildnis von
Minamoto no Yoritomo
(1147 - 1199),
dem ersten Shogun Japans

1192 wurde Yoritomo als Oberhaupt seines Clans vom neuen Kaiser zum Shogun ernannt. Der Triumph der Minamoto war vollständig, ebenso wie der jetzt beginnende Aufstieg der Samurai zur militärischen Elite.