Die Geschichte des Katana

In Japan ist das Schwert als Waffe und Machtsymbol bereits aus mythischer Vorzeit überliefert. Das neben Spiegel und Juwel zu den Reichsinsignien des Kaisers (Tenno) zählende Schwert ist von seiner Ahnfrau, der Sonnengöttin Amaterasu, auf den Tenno überkommen. Nach der Legende erschlug Susano-O, der „ungestüm Männliche“, der Bruder der „am Himmel erscheinenden, großen strahlenden“ Amaterasu-Omi-kami, mit einem Schwert einen achtköpfigen Drachen. Als er den Schwanz abschlug, sprang eine Schwertklinge hervor, die er Amaterasu zum Zeichen seines Sieges überreichte. Schärfe und Glanz dieser Klinge waren den sterblichen Nachfolgern der göttlichen Helden allerdings unerträglich. Der 10. Tenno ließ daher ein Duplikat anfertigen und übergab das Original dem der Sonnengöttin geweihten Schrein von Ise. Bei der Unterwerfung der nördlichen Inselbewohner rettete dieses wunderkräftige Schwert, das ihm vom Ise-Schrein in den Kampf mitgegeben wurde, dem kaiserlichen Prinzen das Leben. In eine Falle gelockt, gelang es ihm, mit dem Schwert die ihn umzingelnde Feuerfront aufzuhalten. Er mähte in weitem Bogen das Gras und zündete selbst ein Feuer an, das die Feinde vernichtete. Das berühmte Schwert führt daher den Namen Kusanagi – „Das Grasmähende“.

Obwohl sich in der japanischen Geschichtsschreibung der Ursprung des Schwertes im mythischen Dunkel verliert, ist seine chinesische Herkunft unbestritten. Die ältesten Schwerter Japans hatten eine zweischneidige und gerade Klinge mit beidseitig erhöhtem Grat und verbreiterter Spitze. Diese Form ist im chinesisch-buddhistischen Symbol des drachenumschlungenen Schwertes überliefert. Die Bezeichnung Ken oder Tsurugi leitet sich aus dem chinesischen Kien her. Auch dem einschneidigen Katana wird mythisches Alter zugeschrieben. Bis in die Nara-Zeit hinein spielte das Schwert zwar in allen legendären und historisch überlieferten Kämpen eine bestimmte Rolle, war aber nicht die Hauptwaffe. Nur wenn alle anderen Waffen – vorrangig Bogen und Pfeile, aber auch Lanzen und Speere – ausgeschaltet waren, diente es zur persönlichen Verteidigung.

Katana

Im selben Maße wie das Shogunat erlangten auch die Schwerter und damit die Schwertschmiede Bedeutung. War das Schwert zunächst ein Rangabzeichen und damit lediglich höchsten Würdenträgern vorbehalten, so wurde es nun ein Instrument der herrschenden Klasse. Für eine ganze gesellschaftliche Schicht, die Samurai, wurde das Schwert einziger Gebrauchsgegenstand zum Erwerb des Lebensunterhalts. Größe und künstlerische Ausstattung variierten entsprechend ihrer Bestimmung zur Repräsentation oder zum Kampf. Die Herstellung erfolgte unabhängig vom Rang der Träger einzelner Schwerter. Die Anwendung und den Besitz eines Schwertes regelten zunächst Sitte und Brauch, später Verordnungen.

Die Etikette erforderte, dass hohe Beamte des kaiserlichen Hofes sowie die Mitglieder der kaiserlichen Familie (die Kuge) stets ein langes Prunkschwert tragen mussten. Seine Ausstattung war den jeweiligen Gelegenheiten angepasst. Die einschneidigen höfischen Schwerter (Tachi) waren leicht konkav, bis 120 cm lang und am Griffende mit einer Quaste verziert. Von prunkvollen Beschlägen der Scheide gingen Seidenbänder aus, die ebenfalls in Quasten endeten. Mit diesen Gehängen wurde das Tachi am Gürtel befestigt, so dass es bis in Schenkelhöhe herabhing. Bei religiösen Feierlichkeiten am Hofe oder in der Begleitung des Tenno trug man ein dafür bestimmtes Prunkschwert, bei höfischen Festen wieder ein anderes. Für staatspolitische Zusammenkünfte war ein weiterer Typ des Tachi vorgeschrieben. Bei gleichbleibender Form variierten sie lediglich in der mehr oder weniger glanzvollen Ausstattung. jeder Typ war unter einem bestimmten Namen bekannt. Prinzipiell wurde zwischen Prunkschwertern für Feste (Gijo-no-tachi) und solchen für Ratsversammlungen (Hejo-no-tachi) unterschieden. Außer dem Tachi trug man, in der Gürtelschärpe versteckt, einen Dolch (Tanto). Seit Beendigung der großen Feudalkriege (um 1580) wurde er sichtbar getragen. Ein etwas kürzerer Dolch (Kaiken) gehörte auch zur Ausrüstung jeder Frau der Samurai-Klasse.

Als die Bedeutung des ländlichen Adels (Buke) und seiner stehenden Heere zunahm, gehörten die Schwerter als Nahkampfwaffe nicht mehr nur zur kriegsmäßigen Ausrüstung und Bewaffnung jedes Soldaten, sondern sie wurden ständiges Zubehör auch der zivilen Kleidung. In das breite textile Gürtelband (Obi) eingesteckt, trugen die Mitglieder des Kriegerstandes, vom Shogun bis zum einfachen Gefolgsmann, das etwa einen Meter lange Katana und das etwas kürzere Wakizashi. Beide werden unter dem Begriff „Dai-Sho“ (japanisch „groß und klein“) als zusammengehörendes Paar gefasst. Im Unterschied zu dem am Gürtel hängenden Tachi steckte das Daisho mit der Schneide nach oben im Gürtel. Durch die Verordnungen des Shogun Tokugawa leyasu wurde diese Sitte gesetzlich verankert. Sein 35. Gesetz besagt: „Das Schwert ist die Seele des Samurai. Wer es verliert, ist entehrt und der strengsten Strafe verfallen.“ Im Unterschied zu den Samurai, denen es erlaubt war, ständig zwei Schwerter zu tragen, durften seit dem Jahre 1603 Händler, Bauern und Bedienstete bei Feierlichkeiten, Hochzeiten, Beerdigungen ein kurzes Schwert, das Wakizashi, mit sich führen. Krämern, Bettlern, Mönchen und einigen Gruppen, die verachteten Gewerben nachgingen, war das Tragen von Schwertern gänzlich untersagt. Am kaiserlichen Hof hatte jeder Samurai seine Schwerter abzulegen. Shogun und Daimyo hatten das Recht, bei Feierlichkeiten am Hofe ein Tachi, anzulegen. Vor dem Kaiser durfte kein Samurai mit Schwert erscheinen. Näherte sich ein einfacher Samurai, ein Vasall, einem höheren Beamten, so musste er seine beiden Schwerter gegen eins, das Chisakatana, austauschen. Es war länger als das Wakizashi, aber kürzer als das Katana.

Kinder trugen denen ihrer Väter entsprechende Scheinschwerter aus Holz. Mit der Initiation in die Gesellschaft der Erwachsenen wurde, begleitet von umfangreichen Feierlichkeiten und ausgedehnten kultischen Handlungen am Ahnenaltar der Familie, den Knaben das Daisho und den Mädchen der Dolch verliehen.

 

Die Schwerter eines Samurai wurden im Hause auf einem speziellen Schwertständer, dem Katana-Kake, aufbewahrt. Er hatte seinen festen Platz in der Tokonoma, einer etwas erhöhten Nische gegenüber dem Eingang des Hauses. Auch das Katana eines Gastes wurde hier abgelegt. Das kürzere Wakizashi behielt der Gast neben seinem Platz. Die Schwerter bei einem Besuch im Hause eines Freundes im Gürtel zu belassen galt als äußerst unfreundlich. Dagegen gehörte es zu den gastfreundlichen Gesten, die kunstvolle Ausstattung der Schwerter, die Schönheit der lackierten Scheide gegenseitig zu bewundern. In die Betrachtung wurde nur der griffnahe Teil der Klinge einbezogen. Das Schwert blankzuziehen, bedeutete Feindseligkeit und den Bruch der Gastfreundschaft. Lediglich wenn es der bewundernde Freund ausdrücklich wünschte, zog der Besitzer das Schwert ganz aus der Scheide. Er tat dies von seinem Gegenüber abgewendet und unter vielen Entschuldigungen und Komplimenten.

Entsprechend der gesellschaftlichen Wertung, die das Schwert in den Epochen der japanischen Geschichte erfuhr, werden alle in Japan angefertigten Schwerter in drei Perioden zusammengefasst. Man unterscheidet die Periode der Koto, der „Alten Schwerter“, die bis zum Jahre 1573, dem Ende der Muromachi-Zeit, reicht; die Periode der Shinto, der „Neuen Schwerter“, sie beginnt mit der Tokugawa-Zeit; und die Periode der Shinshinto, der „Gegenwärtigen Schwerter“, sie kündigt sich gegen Ende der Tokugawa-Zeit an und setzt mit der Meiji-Zeit ein. Die bedeutenden Schwertschmiedemeister stammen aus der Koto- und Shinto-Periode.

Der hohen Wertschätzung der von ihnen gefertigten Schwerter entsprach auch die gesellschaftliche Stellung der Kaji, der Schwertschmiede. Zu allen Zeiten bekleideten sie als Künstler einen hohen gesellschaftlichen Rang. Das Schwertschmiedehandwerk übten Angehörige der Samurai und des Hofadels aus. Selbst Kaiser engagierten sich in höchstem Maße, indem sie in engem Kontakt mit Schwertfegern standen oder selbst mit Hand anlegten.

Kaiser Go-Toba (1138-1198) erklärte, die Schwertschmiedekunst sei eine prinzengemäße Beschäftigung. Aus dem 8.Jahrhundert ist überliefert, dass ein Shinto-Priester als Schwertfeger tätig war. Die japanischen Schwerter wurden also auch von Angehörigen der herrschenden Klasse gefertigt. Im Feudalismus war das japanische Schwert ideologisch, gesellschaftlich und technisch ein Produkt der herrschenden Klasse. Ihr allein diente es, und mit ihr verschwand sein Ruhm.

Da die Herstellung von Schwertern zu den höfischen Künsten gehörte, entstanden die ältesten Schwertschmiedezentren in unmittelbarer Nähe des kaiserlichen Hofes oder der Mitglieder der kaiserlichen Familie. Aus der „Alte-Schwerter“-Periode sind die Meister der Provinzen Bizen und Yamashiro hervorzuheben. Wegen seiner Festlandsnähe ist Bizen, im Süden der heutigen Präfektur Okayama, sicher ein Entwicklungszentrum der japanischen Schwertschmiede. Bis in die Heian-Zeit (794-1192) waren die Schwerter überwiegend aus China importiert worden. Tomonarli Masatsune, Takahira und Sukehira sind Namen berühmter Werkstätten von Bizen. Yamashiro, das Gebiet um die Kaiserstadt Kyoto, brachte neben Bizen die bekanntesten Schwertschmiedemeister hervor, unter denen Sanjo Munechika wie auch seine Schüler Yoshiiye und Kanenaga herausragten.

In der Kamakura-Zeit (1192-1333) verlagerte sich das Zentrum der Schwertproduktion nach Kamakura, der Hauptstadt des Shogun. Neben den Werkstätten von Bizen und Yamashiro entstand hier eine eigene Schwertschmiedetradition, die als Soshu bekannt geworden ist. Ihre berühmtesten Meister waren Yukimitsu, Masamune und Muramasa. Vorzüglich geschmiedete Klingen von außerordentlicher Schärfe kennzeichnen diese Schwerter. Den Klingen von Muramasa wurde zum Beispiel nachgesagt, sie seien „blutdürstig und unheilbringend“. Ihre Schärfe reiche aus, ein Blatt, das im Fluss gegen ein hineingehaltenes Schwert schwimme, zu zerschneiden. Tokugawa leyasu soll aus abergläubischer Furcht die Herstellung derart scharfer Klingen untersagt haben. Die aus jener Zeit überlieferten Schwerter zählen zu den kostbarsten Gütern der japanischen Kultur. Siebzehn von ihnen aus dem Besitz der Tokugawa-Familie sind seit dem 18.Jahrhundert als Nationalschatz registriert.

Infolge der zunehmenden kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen mächtigen Feudalgeschlechtern entstanden in allen Teilen Japans immer neue Schwertschmiedewerkstätten. Da eine große Menge von Schwertern benötigt wurde, musste der traditionell langwierige Schmiedeprozess verkürzt werden. Im 15. und 16.Jahrhundert raffinierten immer weniger Schwertfeger den Stahl für ihre Klingen selbst, sondern verwendeten importierte und bereits gebrauchte Eisen- und Stahlsorten. Zu Beginn des 16.Jahrhunderts wurde die Kunst der Schwertfeger durch die Verleihung kaiserlicher Titel besonders gewürdigt. Die Titel Suke, jo, Daijo und Kami erschienen nunmehr vor den Namen der Schwertfeger. Diese hohe gesellschaftliche Wertung leitete zugleich den Niedergang der hochqualifizierten Schwertschmiedekunst in Japan ein. Mit der Befriedung des Landes durch Toyotomi Hideori und Tokugawa leyasu begann seit 1570 die „Neue-Schwerter“-Periode. Die Kampfschwerter verloren ihre Bedeutung und wurden durch Schwerter mit kürzeren Klingen abgelöst, die nunmehr Beiwerk der zivilen Kleidung wurden. Folgerichtig verlagerte sich auch die Aufmerksamkeit der Schwertschmiede von der Klinge zu den einzelnen Elementen ihrer Schäftung. Die Periode der Schmiede von Edo, der Hauptstadt der Tokugawa, und Osaka kennzeichnet die hohe künstlerische Gestaltung der Schwertzierate, die technische Perfektion und Meisterschaft in kleinsten Dingen des täglichen Bedarfs. Drachen, Blüten und Landschaften wurden vorherrschende Motive der Dekoration. Berühmte Namen in dieser Zeit waren Shimosaka Yasutsugu, der seinen Schwertern drei Malvenblätter (Aoi), das Familienwappen der Tokugawa, eingravieren durfte, Umetada Myojo, Horikawa Kunihiro, Kobayashi Kunisuke oder Inoue Shinkai, der die Tradition Masamunes fortsetzte. Zahlreiche Werkstätten in verschiedenen Provinzen des Landes bildeten eigene Traditionen schulmäßig aus. Die einzelnen Teile des Schwertes wurden immer häufiger von Spezialisten hergestellt. Sie produzierten getrennt voneinander, so dass der Schwertfeger nur noch für die Klingen verantwortlich war. Mehr als die Hälfte aller heute noch vorhandenen Schwerter entstammen dieser Schaffensperiode japanischer Schmiede. In allen Perioden der japanischen Geschichte gab es zusammen etwa 20.000 Schwertschmiede.