Shihan Akio Nagai - 8. Dan

Wir alle kennen diesen Namen von den Lehrgangsausschreibungen, viele haben schon persönlich bei ihm trainiert. Doch was und wer steckt hinter dem uns bekannten lustigen Japaner?

nagai2Sensei Akio Nagai wurde am 19.2.1942 in Yamaguchi / Japan als erster Sohn des
Gymnasialschuldirektors Kakbyoshi und dessen Frau Hisano Nagai geboren. In seiner Jugend interessierte er sich hauptsächlich für Football und Judo, zum Karate kam er erst etwas später. An dieser Kampf- kunst reizte ihn vor allem eine gewisse Undurchsichtigkeit, die, wie er selbst sagt, bis heute nicht vollends gewichen sei. Originalton Akio Nagai: „Mit dem Karate verhält es sich ähnlich wie mit dem Zen, man benötigt Jahrzehnte, um es bis zu den Wurzeln der Dinge verstehen zu können.“ Nachdem er ausgiebig die Geschichte Okinawas studiert hatte, konzentrierte er sich zusehends auf das Karate-Do. Sein erster Lehrer in seiner Heimatstadt war Sensei Hiroshi Kawamura. Bei ihm trainierte Sensei Nagai drei Jahre und bekam dann im Alter von 17 Jahren den ersten Dan zuerkannt. Das war für damalige Verhältnisse sehr früh. Nach der Schule wechselte er an die Takushoku-Universität in Tokyo. Dabei begann Sensei Nagai sein Karatetraining nicht in einem Shotokan-, sondern in einem Shito-Ryu-Dojo. An der Takushoku-Uni studierte er dann Volkswirtschaft und Karate. Die Taku-Dai ist für ihr Karatetraining deswegen so bekannt geworden, weil es, bedingt durch die hohen physischen Anforderungen, eine starke Selektion in den einzelnen Klassen gab. Dadurch blieben nur die Stärksten und Besten in den Abschlußklassen übrig. Die meisten von Ihnen sind heute herausragende Karatepersönlichkeiten, wie zum Beispiel Sensei Nagai, Sensei Kanazawa, Sensei Asano, Sensei Kawasoe, Sensei Murakami und viele andere.

Ursprünglich wollte Sensei Nagai wie sein Großvater, der im 2. Weltkrieg General gewesen war, zum Militär gehen, doch durch das Karate sollte seine Zukunft eine ganz andere sein. Er würde Karate-Instructor werden. Einer Einladung seines jüngeren Bruders Tezuhiko Nagai (der in Japan eine Fabrik für Heimelektronik besitzt und nach Deutschland exportiert) folgend, machte er 1965 die erste Bekanntschaft mit seiner zukünftigen Heimat. Das liegt jetzt schon fast 40 Jahre zurück. Seit jener Zeit lebt er in Düsseldorf bei einem Fleischermeisterehepaar, das ihn wie einen Sohn aufgenommen hat.

In seiner Anfangszeit in Deutschland gab es natürlich ein paar Schwierigkeiten, nicht nur was die Sprache anging, sondern auch mit der Akzeptanz. Immerhin war er erst 23 Jahre alt. Deshalb gab es verschiedene Herausforderungen von deutschen Boxern, Ringern, Karateka und Judoka. In allen schlug sich der damals noch junge Meister hervorragend, so daß sein Ansehen schnell stieg. Er bekam die Leitung des DKB (Deutscher Karate Bund) übertragen und stand dort knapp ein Jahrzehnt an der Spitze. Nagai Shihan gehört somit unumstritten zu den Karatepionieren in Deutschland. Erst nach ihm kamen Persönlichkeiten wie Kanazawa Shihan und Ochi Sensei nach Deutschland.

Mitte der 70er Jahre kam es dann zur Abspaltung des S.K.I. von der JKA. Dabei war Nagai Shihan einer der Mitbegründer des neuen traditionellen Karateverbandes. In seinen Worten heißt es: „Der S.K.I. hat den Weg des Karate-Do.“ So kam es, daß Shihan Akio Nagai den deutschen Verband S.K.I.D. gründete und diesem bis heute vorsteht.

Nagai Shihan mit seiner Lieblingstechnik, yoko geri keage
Nagai Shihan mit seiner Lieblingstechnik,
yoko geri keage

Es stellt sich die Frage, worauf sein außer-ordentlicher Erfolg als Trainer zurückzuführen ist. Wer seine Lehrgänge besucht, dem wird es nicht schwerfallen, dies zu beantworten. Das Besondere an seinem Training sind die Exakt- heit seiner Techniken, die gleichmäßige Verteilung des Trainings auf Kihon, Kata und Kumite und das für die japanische Men- talität eher unübliche direkte Korrigieren am Schüler. Dabei wird nicht nur der Bewegungsablauf im Kihon korrigiert, sondern auch anhand von Beispielen die korrekte Karatetechnik demonstriert. Sehr großen Wert legt Nagai Shihan auf das Ausüben der Kata. Viele von uns haben schon Situationen miterlebt, in denen er regelrecht böse wurde, wenn jemand die Kata zu schwach oder immer wieder falsch lief. Aussprüche wie: „Schon tot! Schon tot!“ oder: „Was ist das, komische Bewegung so!“ haben uns schon oft schmunzeln, aber auch viel lernen lassen. Das Nagai Shihan ein Kihon-Experte (was die Ausübung und das Training betrifft) ist, braucht man wahrscheinlich niemandem, der einmal einen seiner Lehrgänge besucht hat, zu sagen. Ihm geht es dabei besonders um die exakte Ausführung der Grundtechniken und um die Grundprinzipien von Distanz, Timing und Kime. Erst darauf baut er Freikampfübungen in der Oberstufe auf. Aufgrund dessen herrschen im S.K.I.D. eine vergleichsweise hohe Leistungsdichte und Qualität. Das liegt auch an der Einstellung unseres Bundestrainers, der in seinem Training sehr viel Wert auf Flexibilität der Technik und des Geistes legt. Sensei Nagai sagt: „Shotokan-Karate ist eine sehr dynamische Angelegenheit und darüber hinaus auch außergewöhnlich flexibel. Man muß es nur richtig verstehen, die Möglichkeiten entsprechend zu erkennen und danach zu trainieren. Nur vorwärts und rückwärts gehen reicht für ein richtiges Shotokan-Training nicht aus.“

Sensei Nagai bei der Demonstration eines yoko tobi geri
Sensei Nagai bei der Demonstration eines
yoko tobi geri

Seit über 30 Jahren lebt Akio Nagai Shihan nun in Deutschland. Zweimal im Jahr, in der Sommer- pause und über den Jahreswechsel, fliegt er zu seiner Familie nach Japan, denn in seinem Herzen ist er ein richtiger Japaner geblieben, auch wenn er von sich sagt, daß er ein
„Deutschjapaner” sei.