Nishiyama Hidetaka - Der schneebedeckte Vulkan

nishiy1Sensei Nishiyama ist einer der letzten noch lebenden direkten Schüler von Sensei Funakoshi. Er ist ein Meister, der in seinem Leben wirklich den wahren Weg gefunden hat und diesem auch folgt. Anders konnte ich mir die Perfektion der Sinne und Techniken nicht erklären. Nishiyama verdeutlichte an einfachen Beispielen sowohl den Zusammenhang zwischen Körper und Geist, als auch die durch Kata zu erreichende Perfektion des Zanshin, in der die Sinne so scharf werden, dass Bewegung und Energie des anderen gefühlt werden, bevor die eigentliche Bewegung entsteht. Dies war eine ungeheure, ja fast unvorstellbare Form des Kime und des Energieflusses der Technik.

Wenn man nun einem Gegner gegenüber steht und dieses so genannte ,Sen'-timing übt (d.h. ich reagiere früher als der Gegner angreift), würde Nishiyama Sensei sagen, dass, wenn wir uns bewegen, kein Gedanke in der Technik oder an Sieg oder Niederlage existiert. Oder er beschrieb den Raum zwischen mir und dem Gegner als Hölle, und den hinter meinem Gegner als Himmel. Er sagt: „Du musst durch die Hölle gehen, um zum Himmel zu kommen.” Über die Vorbereitung für ,Sen' sagt Nishiyama: „Die Augen sind sanft, der Geist ist stark und die Aufmerksamkeit ist bei deinen eigenen Füßen.” All das bedeutet, dass der Geist nicht an einem Platz stoppen, sich nicht konzentrieren sollte, er sollte besser aufmerksam sein, ohne Anstrengung, ganz natürlich. Für Nishiyama sind drei Dinge im Karate am wichtigsten: Augen, Füße und Mut. Was auch immer die Augen sehen, sollten die Füße simultan - ohne Einmischung von Gedanken oder Zweifeln - ausdrücken und Mut bedeutet einen starken Geist ohne Verzögerung. Aber wir können nicht nur über den richtigen Gebrauch des Körpers allein reden, weil beides, gute Technik und die Funktion der Technik vom richtigen Geist und der richtigen Einstellung abhängen. An dieser Stelle möchte ich eine kleine Geschichte einbringen, die ich einmal las und so ähnlich auf einem Lehrgang wieder fand:

...Nishiyama Sensei forderte einen Schwarzgurt auf, ihn von der Seite aus anzugreifen. Der Schwarzgurt griff ihn dreimal an, ohne dass Nishiyama sich auch nur einen Millimeter bewegte. Jedes Mal sagte er nur „Du wolltest mich nicht verletzen, ich brauchte mich nicht zu wehren!” Er forderte ihn abermals auf, anzugreifen und schrie ihn an, er solle ihn verletzen. Man sah, dass der Schwarzgurt Wut bekam und in Ausgangsstellung ging. Dann die Bewegung ... Es sah fast so aus, als hätte Sensei Nishiyama sich sogar noch vor dem Schwarzgurt bewegt. Jedenfalls wurde der Oi zuki des Schwarzgurtes schon im Ansatz von Nishiyama mit tate shuto uke an der Schulter gestoppt. Er erklärte dies damit, dass er die Energie des Angriffs, die der andere vor der eigentlichen Bewegung aufgebaut hatte, spürte und bereits darauf reagierte. Auch legte er in allen Übungen immer den größten Wert darauf, dass die Schüler bei der Ausführung der Techniken mit Geist und Körper eine Einheit bildeten. Ist kein Geist (shin) in der Technik (waza), so ist die Technik schwach, weil die vitale Energie (ki) nicht fließen wird.

nishiy3Der am 21. November 1928 in Tokyo geborene Nishiyama Hidetaka begann schon 1933 mit dem Kendo-Training. Ab 1938 übte er zusätzlich Judo. 1943, nachdem er den 1.Dan im Kendo erhielt, begann er mit dem Karate-Training unter Meister Funakoshi Gichin im Shotokan. Zwei Jahre später schrieb er sich in der Takushoku-Universität ein und trainierte im dortigen Karate-Team. 1946 erhielt er den 1.Dan, 1948 den 2.Dan. 1949 wurde Nishiyama Leiter des Universitäts-Karateteams und im selben Jahr gründete er mit Nakayama Masatoshi die Japan Karate Association (JKA). Ein Jahr danach bestand er die Prüfung zum 3.Dan und war Mitbegründer der All Japan Collegiate Karate Union. Ende der vierziger Jahre war Nishiyama einer der Karate-Instructoren, die amerikanische Spezialeinheiten des Strategic Air Command (SAC) in Judo, Aikido und Karate ausbildeten.

Hier ein Ausschnitt aus einem Interview mit Sensei Nishiyama: „Wir wurden in die amerikanischen Basen eingeladen, um zu lehren. Ich war der Jüngste. Jedes Mal, wenn wir in die Stützpunkte gingen, wurden von uns Vorführungen erwartet. Es war sehr hart, ich musste viele Bretter zerschlagen, so dass meine Hände und Unterarme in schlechtem Zustand waren. Das passierte drei bis vier Mal am Tag. Oft konnte ich meine Arme nicht mehr bewegen.” - Einer seiner Schüler dazu: „Oft verlangten die amerikanischen Instruktoren von Nishiyama Bruchtests von dicken Brettern, die mit Wasser vollgesaugt waren. Sensei Nishiyama schaffte es immer, diese Bretter zu zertrümmern und hat nie einen seiner Schüler aufgefordert, an seiner Stelle die Bretter zu zerschlagen.”

nishiy21951 wurde er Direktor der Japan Karate Association, nachdem er zum M.A. (Wirtschaft) an der Takushoku-Universität graduierte. Sein erstes Buch : „Karate, The Art of Empty-Hand Fighting”, das in viele Sprachen übersetzt wurde, veröffentlichte er 1960. 1961 ging er in die USA und gründete die All American Karate Federation (AAKF). 1973 wurde Nishiyama als Mitbegründer der Pan American Karate Union (PAKU) erster Executive Instructor. 1975 wählte man Nishiyama Sensei auch zum Executive Instructor der International Amateur Karate Federation (IAKF), deren Name später in International Traditional Karate Federation (ITKF) geändert wurde.

Ehrungen und Auszeichnungen
1999 wurde Nishiyama mit der US-Flagge geehrt, die am 10. Oktober (seinem Geburtstag) über dem Kapitol in Washington D.C. gehisst war, um seine Verdienste um die Verbreitung des traditionellen Karate zu würdigen. Am 3. November 2000 wurde Nishiyama in einem Zeremoniell auf dem Gelände des Kaiserpalastes in Tokio vom Tenno der Orden des Heiligen Schatzes 4. Klasse verliehen. In Polen wurde ihm 2001 vom polnischen Präsidenten Aleksander Kwasniewski der polnische Verdienstorden 4. Klasse (Offizierskreuz) verliehen.

Hidetaka Nishiyama lebte mit seiner Frau und seinen drei Töchtern in bis zu in Los Angeles. Dort trainierte er bis ins hohe Alter (Träger des 10. Dan) und gab Lehrgänge. Er starb am 7. November 2008 im Alter von 80 Jahren in Los Angles.